
Franz von Assisi
Franz von Assisi, Friedensstifter
1219: Begegnung in Ägypten
800 Jahre und ein paar Wochen ist es her, seit Franz von Assisi mitten in den fünften Kreuzzug reiste. Christliche Heere belagerten damals die ägyptische Hafenstadt Damiette mit dem Ziel, die Herrschaft der Ayyubiden zu brechen - jener Sultansfamilie, in deren Machtbereich auch Jerusalem lag.
Franz - Francesco - war damals als Gründer einer Bettelordenbewegung, die in ganz Europa aktiv war, in kirchlichen Kreisen schon wohlbekannt.
Er, der sich durchaus als der Kirche gehorsam verstand, ließ sich von Kardinal Pelagius, dem kirchlichen Vertreter im Kreuzzug, seinen "Besuch" beim ägyptischen Sultan Malik al-Kamil absegnen - in anderen Worten: er überquerte die Frontlinien, ließ sich festnehmen und hatte möglicherweise vor, den Märtyrertod zu sterben, das lässt sich den historischen Quellen nicht entnehmen.
Nun dürfte der ägyptische Sultan, Malik al-Kamil, der Neffe des berühmten Salah al-Din (in Europa als Saladin bekannt), keineswegs jenes blutrünstige Ungeheuer gewesen sein, als das ihn sich westliche Chronisten gern vorstellten. Vielmehr handelte es sich um einen gebildeten Mann, der wenige Jahre nach Francescos Tod und dem Ende des Kreuzzugs mit dem Stauferkaiser Friedrich II. die vollkommen friedfertige Übergabe Jerusalems vereinbarte. Francesco dürfte aus dieser Begegnung verändert hervorgegangen sein: während vor seiner Reise noch Ordensbrüder nach Marokko geschickt wurden, die durch beharrliche Provokation und Schmähung des Propheten Mohammeds ihre eigene Hinrichtung provozierten, ist von jener Begeisterung für das religiöse Martyrium in den späten Schriften Francescos keine Spur mehr zu finden.
Ganz im Gegenteil: 1221 schreibt er in der "Nichtbullierten Ordensregel", dass die Brüder in der Mission "weder zanken noch streiten" sollen, sondern "bekennen, dass sie Christen sind". Auch die intensive muslimische Gebetspraxis dürfte Francesco gefallen haben.
Es ist möglich, dass er den Fall Damiettes am 5. November 1219 als Augenzeuge miterlebt hat; sicher ist, dass er sich nach seiner Rückkehr aus Ägypten aus der Ordensleitung zurückgezogen hat. Das Erlebnis der Stigmatisierung, wie auch immer man sie sich vorstellen mag, der Rückzug auf den Monte La Verna, all das kommt danach; 1224 stirbt Francesco.
Seine Nachfolger weichen das Armutsgebot immer weiter aus, der Kardinalprotektor Ugolino wird zum Papst Gregor IX. und damit zu einem jener Päpste, die die Inquisition vorantreiben: ein Unterfangen, dem sich leider auch viele Franziskaner gewidmet haben - und der jene Ordensangehörige zum Opfer gefallen sind, die weiter am strengen Armutsgebot festhalten wollten.
Katharina Tiwald